„Endlich kann ich alles sagen, ohne bewertet zu werden.“
Solche Sätze liest man zunehmend nicht über Therapeut:innen, sondern über KI-Chatbots – oft verbunden mit echter Erleichterung, sofortiger Verfügbarkeit und dem Gefühl von neutralem Zuhören.
Millionen Menschen tippen ihre Sorgen inzwischen lieber in ein Dialogfeld ein als sie in einer Praxis einem anderen Menschen gegenüber zu äußern. Ob Replika, Woebot oder ChatGPT, die Systeme sind Tag und Nacht verfügbar, freundlich, nie genervt.
Doch genau das macht sie riskant: Sie klingen menschlich, sind es aber nicht. KI kann Sprache nachahmen, aber sie denkt nicht. Sie fühlt nicht. Sie versteht nicht. Wer das vergisst, läuft Gefahr, mehr in die Maschine hineinzuinterpretieren, als tatsächlich da ist.
Eine Sentio-Umfrage (2025) zeigt: Fast 49 % der Menschen mit psychischen Problemen in den USA nutzen KI gezielt zur mentalen Unterstützung. Weltweit könnten sich 32 % vorstellen, KI anstelle eines menschlichen Therapeuten einzusetzen – in Indien sogar mehr als die Hälfte. Besonders junge Menschen zeigen hohe Akzeptanz.
Warum?
Die Nachfrage ist real und zeigt die weltweite Unterversorgung im Bereich psychischer Gesundheit. KI füllt diese Lücke teilweise, ohne sie zu schließen.
Die Forschung zieht nach und liefert ein differenziertes Bild:
Zwischenfazit: KI kann entlasten und ergänzen. Aber die therapeutische Beziehung – Vertrauen, Empathie, professionelle Verantwortung – ersetzt sie nicht.
Das größte Risiko ist nicht technischer, sondern psychologischer Natur: Wir vermenschlichen Maschinen.
Studien zeigen: Menschen neigen dazu, Chatbots Bewusstsein zuzuschreiben. Microsofts AI-Chef Mustafa Suleyman spricht von „AI Psychosis“ – wenn Nutzer:innen beginnen, KI-Systemen Gefühle oder Intentionen zu unterstellen. Besonders Kinder sind gefährdet: Chatbots, die sich als „Therapeut:innen“ darstellen, suggerieren Autorität, ohne Verantwortung tragen zu können.
Aber: Künstliche Intelligenz ist und bleibt ein Tool. Und genau darin liegt die Stärke - und die Grenze.
So sehr man KI auch nutzen und schätzen kann - man sollte nie vergessen: Sie ist kein Mensch. Diese Klarheit schützt uns vor der Versuchung, Technik mit Bewusstsein zu verwechseln. In der Psychologie hingegen verschwimmt die Grenze. Sprache wirkt menschlich, und schon entstehen Bindungen.