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AI Literacy & Awareness

15. September 2025
Larissa Arthofer

Jurist:innen sind mit Pflichten vertraut. §, Fristen, Formvorschriften – unser Alltag ist ein Netz aus Compliance. Seit dem 2. Februar 2025 gilt nun auch eine neue Pflicht: AI Literacy. Der EU AI Act schreibt in Art. 4 vor, dass alle, die mit KI-Systemen arbeiten, „angemessene Kenntnisse“ über deren Risiken und Chancen besitzen müssen.

Klingt zunächst wie ein weiterer Punkt auf der To-do-Liste. Doch genau darin liegt der Irrtum. AI Literacy ist kein Kästchen, das man abhaken kann. Sie ist ein Kulturbruch. Eine Chance, unser Berufsbild zu erneuern - vom Wissen über Gesetze hin zu einem Verständnis für Technologien, die diese Gesetze zunehmend herausfordern.
 

Warum AI Literacy mehr ist als Schulung

Die EU hat im Mai 2025 eine Guidance zum AI-Literacy-Training vorgelegt. Sie wirkt erstaunlich offen: keine festen Curricula, keine Pflichtmodule. Stattdessen eine klare Richtung: Kenntnisse über Funktionsweise, Risiken, ethische Einschätzungen. Es gibt keinen One-size-fits-all-Ansatz.
 

Globale Trends: Reskilling statt Jobverlust

Der Diskurs ist längst global. Mustafa Suleyman, Microsoft AI-CEO, betont immer wieder: KI ersetzt keine Jobs - sie ersetzt Aufgaben. Zukunftsfähig bleibt, wer seine Qualifikationen entsprechend adaptiert.

Seine Kernbotschaft: Wir brauchen keine Angst, sondern Anpassung. 

Auch aktuelle Reports zeichnen dieses Bild:

PwC setzt nicht auf „Coding für alle“, sondern auf menschliche Fähigkeiten: kritisches Denken, ethisches Urteilen, Empathie. Ergänzt durch Micro-Credentials im AI-Bereich. AI Literacy & Strategic Capability Building - PwC

Der Financial Times Bericht zeigt: Law Schools wie Duke und das King’s College London entwickeln hybride Curricula. Studierende sollen juristische Tiefe, technische Grundkompetenz sowie ethisches Urteilsvermögen mitbringen. Skills to future-proof a legal career

Das Muster ist klar: „Reskilling“ ≠ mehr Technik, sondern breitere Kompetenz.
 

Juristische Ausbildung: Lawyer 2.0

Die Rechtsbranche braucht ein neues Rollenbild. Nennen wir es Lawyer 2.0 mit Skills auf mehreren Ebenen:

  1. Technik-Basics
    • Wie funktionieren Large Language Models?
    • Was sind Halluzinationen, Bias, Trainingsdaten?
    • Welche Governance-Tools (zB EU Code of Practice, GPAI Templates) stehen zur Verfügung?
  2. Ethik & Urteilskraft
    • Wie erkenne ich diskriminierende Muster?
    • Welche Prinzipien schreibt der AI Act vor (Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Menschenaufsicht)?
  3. Leadership & AI Awareness

So entsteht das, was Duke Law „hybride Profile“ nennt: Jurist:innen, die rechtlich versiert, aber auch technikbewusst sind.
 

Neue Impulse aus EU-Compliance

Auch Europa liefert gerade fast monatlich neue Impulse, hervorzuheben sind:

  • Mai 2025: Die EU Guidance zum AI-Literacy-Training
  • Juli 2025: Das AI Office legt GPAI Code of Practice und Templates für Governance und Transparenz vor.
  • 26 August 2025: Mit der Entscheidung der UN-Generalversammlung vom 26. August 2025 wird ein neuer institutioneller Rahmen geschaffen: Der „Global Dialogue on AI Governance“ soll künftig als multilaterale Plattform fungieren, auf der Mitgliedstaaten, Forschungsinstitute und internationale Organisationen gemeinsam an Regeln, Standards und Leitlinien für den Umgang mit KI arbeiten. New artificial intelligence governance mechanisms within the United Nations
     

Fazit: Von der Pflicht zur Haltung

AI Literacy ist kein Kreuzerl in der Compliance-Liste. Es ist eine neue Kultur im Umgang mit Technologie - die nicht nur Risiken kennt, sondern Chancen nutzt.
 

Quellen:

AI Literacy - Questions & Answers